Unternehmens­kommunikation – was wirklich hilft

von | 20. Sep. 2021

Warum agiles Arbeiten im Kommunikationsmanagement überschätzt wird

Ein Beitrag von Martin Gosen

Smart. Agil. Innovativ. Das Selbstverständnis der Unternehmenskommunikation ist es, Vordenker im Unternehmen zu sein. Da wird man sehr verführt, jeden neuen heißen Scheiß zu adaptieren. Noch dazu, wenn Studien bzw. ihre Interpretation unterstellen, dass gewisse Management-Tools für Kommunikatoren notwendig sind, „wenn sie in der obersten Führungsriege gehört werden wollen“  (pressesprecher.com: „Kommunikatoren fehlt es an Methodenkompetenzen“ zur Lautenbach-Sass-Studie).

Kein Wunder, dass sich viele von ihnen fragen, ob da nicht etwa schon wieder ein Zug ohne sie abfährt.

Natürlich ist Methodenkompetenz in der PR wichtig. Doch bei der Beantwortung der Frage, ob und wie agiles Arbeiten uns in der Unternehmenskommunikation hilft, offenbaren sich eine ganz Reihe von Missverständnissen. Das hat auch eine Diskussionsveranstaltung („Wege aus dem Silo“) beim Kommunikationskongress 2018 gezeigt.

I Agiles Arbeiten in der Unternehmenskommunikation ist Unsinn

Kommunikationsabteilungen arbeiten extrem prozessorientiert. Das gilt insbesondere für börsennotierte Unternehmen, die je nach Marktsegment besonderen regulatorischen Auflagen unterworfen sind. Agiles Arbeiten, zum Beispiel in den Investor Relations oder im Krisenfall, wären da eher kontraproduktiv. Und selbst die Erarbeitung von Sprechzetteln, Statements oder Q&As und noch mehr ihre Abstimmung im Unternehmen folgen klaren Prozessen. Das muss auch so sein. Es geht also weniger um agiles Arbeiten als viel mehr um den Einsatz agiler Methoden für bestimmte Zwecke. Das ist schon ein Riesenunterschied.

II Die Methode ist unwichtig. Es kommt auf das Mindset an

Ohne die Bereitschaft zu lernen, einander zuzuhören und die eigenen Interessen zurück und sich in den Dienst der Lösung zu stellen, verkommt SCRUM schnell zum reinen Theater. Und auch ein morgendliches Stand-up-Meeting allein sorgt nicht für einen intensiveren Austausch im Team, wenn die Mitarbeiter ihr Wissen und ihre Informationen am liebsten für sich behalten. Eine bessere Zusammenarbeit erfordert schlicht eine andere Einstellung: Wissen teilen, andere befähigen, sich selbst zurücknehmen.

III Agilität braucht eine neue Art der Führung

Oft genug ist es so, dass den mehr oder minder agilen Projektteams zwar mehr Verantwortung zufällt, die Entscheidungen aber weiterhin der Chef trifft. Wenn dann etwas schiefläuft, wird die Schuld bei den Projektverantwortlichen gesucht. Nicht im Management. Je agiler ein Unternehmen oder eine Abteilung arbeiten wollen, desto mehr müssen die Führungskräfte ihre Rolle in Frage stellen. Wollen sie Macht und Einfluss abgeben und eine neue, andere Funktion und vor allem Haltung annehmen? In den meisten Unternehmen oder Abteilungen erfolgt genau das nicht.

IV Agile Methoden lösen die Kernprobleme der Unternehmenskommunikation nicht

Die Motivation zum Einsatz agiler Methoden gründet allzu oft auf der Hoffnung, auf diese Weise die personellen und finanziellen Ressourcen effizienter und effektiver zu nutzen. Wer agil sagt, meint also eigentlich: schneller, besser, mehr. Agile Methoden sparen keine Zeit. Im Gegenteil. Bis sie gelernt und wirksam sind, erfordert es viel Geduld und Einsatz. Agile Methoden ersetzen auch keine fehlenden Kompetenzen. Man bekommt keinen besseren Content, nur weil man möglichst viele Mitarbeiter in einen Newsroom steckt. Und wer besondere Projekte vor der Brust hat oder Krisen bewältigen muss, ist besser beraten, sein Team zeitweise mit Experten zu verstärken.

Sofern es um mehr Kreativität und um eine bessere Vernetzung geht, können manche neuen Tools sehr hilfreich sein. Wer jedoch agile Methoden um ihrer selbst willen einsetzt, wird sicher nicht mehr Gehör beim Chef finden.

Weiterführende Links:


Martin Gosen ist Trainer mehrerer Beziehungsweise-Veranstaltungen zum Thema Interim Management und Führungskompetenz. Mit ihm als einem der beiden Haupttrainer startet ab Februar 2022 ein neuer Durchgang der Ausbildung „Von der Führungskraft zur Führungspersönlichkeit„.

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