Kommunikation in Zeiten der Pandemie – weshalb Online-Workshops toll, aber nicht immer die beste Lösung sind
Lernen im analogen Raum ist aktuell keine Selbstverständlichkeit. Wir fragen uns: Können Videokonferenzen oder andere digitale Formate die Werte von Präsenzveranstaltungen ersetzen? Was ist der Unterschied?
Online-Formate schützen vor Ansteckungen und passen in unsere zunehmend digitalisierte Welt. Ob Videokonferenz-Tools oder Plattformen zur gemeinsamen Dokument-Bearbeitung – die Bandbreite digitaler Produkte und ihrer Eigenschaften wächst kontinuierlich. Inzwischen gibt es sogar Online-Pausenräume. Wenn wir alle sinnvollen technischen Möglichkeiten richtig einsetzen und nutzen, entsteht eine vielschichtige Interaktivität. Das, was analoges Lernen ausmacht, erscheint ersetzbar.
Ist die optimale Lernsituation der Zukunft nur wenige Klicks entfernt? Wohl kaum. Denn die von Tools und Apps erzeugte Vielschichtigkeit und Unmittelbarkeit ahmen wirkliche Präsenz nur nach. Kommunikation in einem virtuellen Raum unterliegt eigenen Gesetzen und hat andere Qualitäten.
Mehr Flexibilität durch Online-Workshops
Super ist in jedem Fall die Flexibilität, die wir mit Online-Veranstaltungen gewinnen. Keine Fahrzeiten, Unabhängigkeit vom Ort – lediglich eventuelle Sprachbarrieren oder Zeitverschiebungen sind zu berücksichtigen. Die Veranstaltung lässt sich leichter in den Terminkalender einfügen, kann notfalls auch einmal unterbrochen werden. Auch die Organisation von Räumen und die Vor-Ort-Betreuung fallen weg. In vielen Fällen dürfte dies selbst spontane Last-Minute-Anmeldungen erleichtern, wobei die Beschränkung der Personenanzahl auch für Online-Seminare ratsam ist. Zumindest, wenn sie sich noch von Lernvideos unterscheiden sollen.
Auch Online-Veranstaltungen machen sich nicht von selbst
Damit hat es sich aber schon fast mit den Vorteilen. Materialien online zur Verfügung stellen können wir schließlich auch bei Präsenzveranstaltungen. Was spontan am Flip-Chart entsteht, kann nachträglich als Fotoprotokoll verschickt werden. Für Online-Veranstaltungen ist es hingegen unverzichtbar, im Vorfeld und in größerem Umfang digitales Lehr- und Infomaterial zu produzieren. Das Ausmaß an Vorbereitung, das für Online-Veranstaltungen notwendig ist, ist daher nicht zu unterschätzen. Auch wenn das Kaffeekochen wegfällt.
Technik ist gut, aber viel komplizierte Technik bringt – in allen Bereichen – mehr Anfälligkeit für Störungen und Pannen. „Ich höre dich nur abgehackt. “ „ Du musst dem Rechner Zugriff auf Mikro und Kamera geben.“ Diese und ähnliche Sätze haben wir in den letzten Monaten häufig gehört. Es entstehen Zeitverzögerungen durch Erklärungen, die nichts mit der zu vermittelnden Materie zu tun haben. Mit Conceptboard und ähnlichen Tools ist agiles Arbeiten grundsätzlich möglich. Allerdings findet sich nicht jeder Teilnehmer/jede Teilnehmerin gleich intuitiv mit den Funktionen zurecht. Notwendig ist daher eine Konferenztechnik, die nicht nur gut funktioniert, sondern die auch alle Beteiligten beherrschen. Und da niemand die erste Seminarstunde dem Einüben der Technik widmen möchte, muss auch diese im Vorfeld gut verständlich vermittelt werden. Lange, bevor es losgeht.
Wir benötigen Plattformen, auf die alle zugreifen können, im Idealfall einen gemeinsamen Speicherplatz zum Down- und Upload. Die Vielfalt der Online-Kanäle (Mikro, Chat, Informationen in anderen Tools, E-Mail usw.) hat nicht nur Vorteile. Teilnehmende verlieren schnell den Überblick und werden dadurch abgelenkt. Auch Lehrende haben natürlich nicht alles im Blick. Für den Chat braucht man daher eigentlich einen zusätzlichen Moderator, der auf sämtliche Informationen/Fragen, die über diesen Kanal kommen, achtet.
Und wie geht es den Teilnehmenden?
Den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet, wandert ihre Aufmerksamkeit mit minimalen Augen- und Mausbewegungen zwischen den Haupt- und Nebenschauplätzen (Chat usw.) des Seminars. Das strengt an. Online-Workshops müssen daher häufiger unterbrochen werden, spätestens alle 45 bis 60 Minuten. Befinden sich die Teilnehmenden im heimischen Ambiente, geht dies mitunter zu Lasten der Konzentration. Insbesondere wenn die Kamera ausgeschaltet bleibt, fällt es doch leichter, wegzuschlummern und einigen wenigen, sehr aktiven Teilnehmenden das Feld zu überlassen. Der eine oder die andere geben den Verlockungen eines vermeintlichen Multi-Taskings nach.
Wenn wir uns an einen physischen Ort begeben, kleiden wir uns dem Anlass entsprechend. Sind wir von Menschen mit dem gleichen unmittelbaren Ziel umgeben, fällt es uns leichter, von unserem Alltag abzuschalten und uns auf den Zweck der aktuellen Begegnung einzulassen. Es fällt uns leichter, präsent zu sein. Auch die neuen Sinneseindrücke, die wir bei Präsenzveranstaltungen erhalten, beanspruchen einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit. Aber wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wirken sie anregend, verbinden sich mit unseren Gedanken und tragen zu einer besseren Integration des Lehrstoffs bei.
Kommunikation umfasst mehr als Bild und Ton
Wo es ums praktische Arbeiten geht, ist es besser, wenn wir alle die Objekte vor uns haben, sie anschauen und anfassen können. Kaum einer versteht technische Geräte, wenn das zu drückende Knöpfchen mühsam beschrieben werden muss. Zudem erreichen wir unser Potenzial am ehesten in einer Atmosphäre, in der wir uns vertrauen. Also in Arbeitsgruppen, in denen wir uns auch informell austauschen, kennenlernen, miteinander Kekse essen.
Workshops dienen schließlich nicht nur der Wissensvermittlung. Firmen investieren in individualisierte Weiterbildungen für ihre Mitarbeiter:innen, auch weil sie Verbundenheit mit der Firma und die Beziehungen zwischen den Teammitgliedern fördern wollen. Denn viele Teilnehmende kennen sich zwar schon ein wenig, arbeiten aber oft im Betrieb nicht direkt zusammen. Ein ausschließlich virtuelles Lernen vergibt also eine große Chance, da sich Energie zwischen den Menschen über den Bildschirm schwer aufbauen lässt.
Lernen an einem Ort, der alle Sinne anspricht
Letztendlich kommt es auf den zu vermittelnden Stoff an. Für manche Themen ist es zum Beispiel völlig ausreichend, ein Buch zu lesen. Für uns, unsere Themen, unser Konzept, sind Präsenzveranstaltungen eindeutig die bessere Lösung. In unseren Workshops geht es vielfach um Kreativität und das Experimentieren mit Techniken. Indem wir gemeinsam auf die Ergebnisse schauen, lernen wir vom unmittelbaren Feedback. Manches, wie unser Fotoworkshop, bei dem wir für Außenaufnahmen im Kiez unterwegs waren, ist virtuell auch gar nicht möglich. Zum Konzept unserer Veranstaltungen gehören der persönliche Austausch mit anderen Teilnehmenden und den Referent:innen und eine kreative Zusammenarbeit. Aus unserer Sicht funktioniert das am besten in kleinen Gruppen. Und vor Viren können wir uns so auch im empfohlenen Maße schützen.